ZERO: Herr Nahrath, mit der Initiative „Power of Logistics“ haben Sie bereits einiges bewegt. Was war Ihr persönlicher Auslöser, dort aktiv zu werden?
Tilo Nahrath: Im Jahr 2022 war Deutschland von einer noch nie dagewesenen Energiekrise gebeutelt. Alle waren auf der Suche nach günstigen Energiequellen. Solarenergie gehört zu den günstigen und zeitgleich grünen Energieträgern. Kuno Neumeier, Sprecher des BVL Themenkreises Logistikimmobilien und CEO der Logivest Gruppe, gründete damals die Initiative, denn er erkannte das riesige Potenzial an freien Dachflächen – sowohl für die Logistikimmobilienbranche als auch für die Energiewende. Wir als RE.Source waren damals in Deutschland einer der wenigen Anbieter in diesem Segment, die sich auf die Belieferung von Industrieunternehmen mit Sonnenenergie spezialisiert hatten. Wirkliche Standards, die Solarenergie auf die Logistikhallendächer zu bringen, gab es nicht. Worauf es dabei ankommt, lernten wir insbesondere durch unsere Projekte mit Zalando. Mit „Power of Logistics“ hatten wir die Möglichkeit, Interessen zu bündeln und insbesondere für Immobilienentwickler die Basis für eine spätere reibungsfreie Solarkraftwerksinvestition zu schaffen.
Hat sich Sonnenstrom für die Logistik etabliert?
Mittlerweile sind die meisten Neubauten „PV Ready“ – ein Standard, den wir innerhalb der Initiative erarbeitet haben. Vom Grundstückseigentümer über Immobilienprojektentwickler, Solar-Installateure, Bauunternehmer, Kraftwerksbetreiber bis zu Stromvermarktern waren alle daran beteiligt, Lösungen zu entwickeln, wie der Solarstrom auf Dächern erzeugt und in den Gebäuden intelligent verbraucht werden kann. Allerdings sind aktuell rund 80 Prozent der Dachflächen nicht mit Modulen belegt, wie eine Erhebung des Fraunhofer IIS ergab. Die Gründe hierfür sind sicherlich vielschichtig und liegen nicht nur in den Herausforderungen, die eine Bestandssanierung mit sich bringt, sondern sind wohl auch den fehlenden Netzkapazitäten, zu geringen Ausschreibungsmengen sowie der langen Genehmigungszeiten geschuldet.
Was sind die größten Herausfrodrungen?
In puncto Solarenergie geht es vor allem darum, die politischen Unsicherheiten zu managen. Das starke Wachstum der Solarstromerzeugung in den vergangenen Jahren hat auch Schattenseiten. So ist häufig zu viel Strom auf dem Markt. Hierzu arbeiten wir an Lösungen im Speicherbereich. Wir stehen zudem vor einem Roll-Out der Elektro-Schwerlastmobilität. Noch wissen nur wenige, wie die Herausforderung der Ladeinfrastruktur an Logistikstandorten umgesetzt wird. Hierzu haben wir neue Mitglieder im Themenkreis, die gemeinsam mit uns die nächsten Standards entwickeln.
Und was sagt die Politik?
Die Zukunft der großen PV-Kraftwerke sehe ich durch die Ankündigungen unserer neuen Wirtschaftsministerin gefährdet. Es ist zu befürchten, dass das riesige Potenzial an freien Dachflächen abgewürgt wird. Wir begeben uns sehenden Auges wieder in die Abhängigkeit von Gasimporten, obwohl uns das Jahr 2022 schmerzlich zeigte, wohin solche Abhängigkeiten führen können. Wir leben in einer digitalen Welt, in der tausende Energieerzeugungseinheiten, Heimspeicher, Elektroautos und Großspeicher existieren und zusammenspielen können. Das Umsetzen der Energiewende und die Energiesicherheit ist nur möglich durch die Vernetzung von Erzeugern, Speichern und Verbrauchern. Diese Chancen werden politisch völlig vernachlässigt. Aus meiner Sicht wäre das in wenigen Jahren umsetzbar und würde erheblich zur Energiesicherheit beitragen. Basis hierfür ist, dass der Verbrauch digital erfasst wird. Hier hat die Initiative unter der Leitung von Richard Schneider, ebenfalls Sprecher der Initiative und Geschäftsführer von Fabrikon, das Verbrauchsdatenerfassungssystem entwickelt. Denn nur, wer seine Verbräuche kennt, kann sein Energiemanagement optimal steuern, und die unterschiedlichen Einheiten vernetzen.
Was werden Sie bei „Power of Logistics“ dazu beitragen?
Wir werden weiterhin das machen, was sinnvoll ist: Wir wirken daran mit, die freien Potenziale auf Dachflächen für Erzeugungseinheiten zu nutzen, dort Speicher zu bauen, Elektrotrucks mit Strom zu versorgen und damit das machen, was die Wirtschaft braucht. Wir bringen die einzelnen Player zusammen, um ein ganzheitliches Energiekonzept Realität werden zu lassen.
Sie sprechen hauptsächlich von Solarstrom. Was ist mit Windkraft, Erdwärme oder auch Wasserstoff?
Windkraft ist eine spannende Option, die jedoch bis dato in der Logistik noch wenig Verwendung findet. Bei den großen Windrädern und Windparks schrecken die hohen Investitionskosten und Auflagen – Abstandsregelungen, Schallschutz et cetera – derzeit noch ab. Es gibt allerdings erste Testläufe mit kleineren Anlagen, sogenannten Windturbinen, die zusätzlich zu PV-Anlagen auf dem Dach installiert werden. Geothermie wird hingegen schon heute – sofern es die Gegebenheiten erlauben – realisiert, wie wir beim Fokusgruppenbesuch des Multi-User-Zentrums von Rhenus Warehousing Solutions in Wesel erfahren durften. Hier wird mittels einer Fußbodenheizung mit Geothermie und Wärmepumpen geheizt und gekühlt. 160 Erdwärmesonden sind dabei für die Geothermieanlage im Einsatz. Wasserstoff hat in Bezug auf die Mobilität sowohl im Individual- als auch im Schwerlastverkehr das Rennen gegen Elektro verloren. Die Hersteller und die Kunden haben sich für die batterieelektrischen Plattformen entschieden. In der Industrie, gegebenenfalls dem Flugverkehr oder der Schifffahrt kann Wasserstoff eine große Rolle spielen. Zur Herstellung kann der überschüssige Solarstrom genutzt werden, der über die Netze zu den Herstellern von Wasserstoff geliefert wird.