Micha Lege ist ein Freund nachhaltiger Transportkonzepte.

Bild: Wiedmann & Winz

Micha Lege: „Klimaneutrale Logistik wird es nicht zum Nulltarif geben“

05.05.2025

Die Transformation des Straßengüterverkehrs in Richtung Nachhaltigkeit kommt eher schleppend voran. Im Gespräch mit der DVZ skizziert Wiedmann-&-Winz-Chef Micha Lege, woran das liegt und wie es besser laufen könnte.

DVZ: Der Umstieg auf klimaschonende Transportoptionen zieht Mehrkosten nach sich. In welchem Maß sind Kunden bereit, diese auch zu tragen?

Micha Lege: Die aktuelle Wirtschaftskrise stellt die Umsetzung klimaneutraler und klimafreundlicher Transportlösungen auf eine harte Probe. Viele Unternehmen, insbesondere aus der Industrie, sehen sich außerstande, die damit verbundenen Mehrkosten zu tragen. Aber: Klimaneutrale Logistik wird es nicht zum Nulltarif geben. Diese nüchterne Erkenntnis scheint in der Industrie und im Handel zwar angekommen zu sein, sie führt aber keineswegs zu einem einheitlichen Handeln.

Wie äußert sich das?

Trotz wachsenden Bewusstseins für die Notwendigkeit nachhaltiger Logistikkonzepte bleibt die Umsetzung oft hinter den Erwartungen zurück. Regulatorischer Druck und veränderte Stakeholder-Erwartungen allein reichen offenbar nicht aus, um einen flächendeckenden Wandel herbeizuführen. Deshalb wären staatliche Förderungen und gezielte Anreize zum Ausbau der Infrastruktur dringend erforderlich. Nur durch massive Investitionen in diesem Bereich lassen sich die erhofften Skaleneffekte und Kostensenkungen tatsächlich realisieren.

Welche Rolle spielen klimafreundliche Transporte bei Ausschreibungen?

Klimafreundliche Logistiklösungen stehen bei Ausschreibungen unserer Kunden derzeit nicht im Fokus und werden bei Anforderungen kaum oder gar nicht berücksichtigt. Stattdessen beobachten wir, dass Pilotprojekte in diesem Bereich häufig aus Marketingbudgets finanziert werden, anstatt integraler Bestandteil der logistischen Kernprozesse zu sein. Viele nehmen klimafreundliche Logistik eher als PR-Maßnahme wahr, nicht als strategische Notwendigkeit.

„Die Berichtspflichten müssen deutlich reduziert und Schwellenwerte angehoben werden.“ – Micha Lege

Wie groß ist der personelle und finanzielle Mehraufwand durch die Nachhaltigkeitsberichterstattung bei Wiedmann & Winz?

Wir streben derzeit die Zertifizierung nach DIN ISO 50001 an. Dabei dokumentieren wir wichtige Daten und Maßnahmen, die auch in die Berichterstattung einfließen werden. Wir gehen insgesamt von Kosten in Höhe von 50.000 Euro aus, um die Zertifizierung zu erlangen. Die Erfüllung von Anforderungen nach der CSRD steht bei uns erst im nächsten Jahr an. Daher können wir momentan noch keine konkreten Aussagen zu Mehrkosten etwa für Personal, Berater und Wirtschaftsprüfer treffen. Nach Angaben des Bundesjustizministeriums liegt der Erfüllungsaufwand für die deutsche Wirtschaft bei 1,3 Milliarden Euro, im Durchschnitt hat jedes der 13.000 betroffenen Unternehmen also Kosten von rund 100.000 Euro.

Haben Sie bereits Aufträge aufgrund Ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen gewonnen? Wie relevant ist die Nachhaltigkeit bei der Auftragsvergabe?

Für einzelne Kunden organisieren wir klimaneutrale Transporte. Unsere Nachhaltigkeitsbemühungen haben uns aber leider noch nicht in größerem Umfang Aufträge eingebracht.

Für welche Branche stiften nachhaltige Angebote einen Mehrwert?

Trotz des wachsenden Nachhaltigkeitsbewusstseins in der Gesellschaft zeigt sich, dass die meisten Verbraucher noch nicht bereit dazu sind, deutlich mehr Geld für nachhaltige Produkte zu bezahlen. Deshalb zögern Unternehmen bei substanziellen Investitionen in Nachhaltigkeit, auch entlang der Supply Chain. Sie können noch keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen erkennen.

Wo können Sie mit nachhaltigen Angeboten einen Wettbewerbsvorteil erzielen?

Solange Industrie und Handel Nachhaltigkeit nicht als integralen Bestandteil ihrer Geschäftsstrategie betrachten und daraus entsprechende Anforderungen an ihre Lieferketten ableiten, bleibt es schwierig, daraus einen messbaren Wettbewerbsvorteil zu generieren.

Welche Impulse zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle haben die CSRD und die doppelte Wesentlichkeitsanalyse gebracht?

Wir sind uns bewusst, dass regulatorische Anforderungen wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) zunehmend an Bedeutung gewinnen. Obwohl konkrete Erkenntnisse im Rahmen der CSRD aktuell noch nicht vorliegen, bereiten wir uns proaktiv darauf vor, unsere Nachhaltigkeitsleistungen umfassend zu dokumentieren und transparent zu berichten. Die Erwartungen unserer Kunden sind für uns von zentraler Bedeutung. Durch gezielte Befragungen erfassen wir die Nachhaltigkeitsanforderungen unserer Kunden und setzen diese in gemeinsamen Projekten um, wie beispielsweise die Einführung klimaneutraler Fahrzeuge in unseren Fuhrpark. Deshalb haben wir mit einigen Auftraggebern Pilotprojekte gestartet, um die Alltagstauglichkeit alternativer Antriebe zu bewerten und Erfahrungswerte zu sammeln. So sind wir stolz darauf, den ersten in Deutschland verfügbaren Lkw mit flüssigem Wasserstoff in unserer Flotte zu haben. Darüber hinaus investieren wir in batterieelektrische Lkw, allerdings nur dann, wenn die Mehrkosten von den Auftraggebern übernommen werden.

Micha Lege

Der 59-Jährige ist seit 2012 geschäftsführender Gesellschafter des mittelständischen Speditions- und Logistikunternehmens Wiedmann & Winz. Seit 2022 ist Lege Präsident des Verbands Spedition und Logistik (VSL) Baden-Württemberg und seit Herbst 2024 zusätzlich Vizepräsident des DSLV. Nach einer kaufmännischen Ausbildung und einem Jura-Studium übernahm er schon früh Aufgaben im Familienunternehmen. 1998 stieg Lege dort in die Geschäftsführung ein, und vier Jahre später übernahm er den Posten des Geschäftsführers.

Was würden Sie an der aktuellen Klimaschutzgesetzgebung für Ihren Geschäftsbereich verändern und warum?

Unternehmen in Deutschland und Europa müssen es wieder einfacher haben, die Kosten für die gesamte Regulatorik müssen heruntergefahren werden. Dazu gehört auch eine deutliche Reduzierung der CSRD-Berichtspflichten. Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) sehen mehr als 1.000 potenzielle Datenpunkte vor! Hinzu kommen auch noch entsprechende Anfragen von Kunden, die zu beantworten sind. Wir brauchen mehr Luft zum Atmen und weniger Bürokratie. Die Berichtspflichten müssen deutlich reduziert und Schwellenwerte für die Nachhaltigkeitsberichterstattung stark angehoben werden, weit über die KMU-Grenze hinaus. Um eine seriöse Vorbereitung möglich zu machen, muss die CSRD-Anwendungsfrist für Unternehmen, die erstmals ab dem Geschäftsjahr 2025 oder später berichten müssen, um zwei Jahre verschoben werden.

Und was würden Sie sich ganz konkret für den Straßengüterverkehr wünschen?

Lkw stehen für 75 Prozent des Güterverkehrs. Diese Transporte dürfen nicht unbezahlbar werden, wenn sie elektrisch durchgeführt werden. Unsere Branche hat dann nämlich einen enormen Strombedarf und muss unbedingt in politische Überlegungen für wettbewerbsfähige Energiekosten einbezogen werden, analog dem Industriestrompreis. Um die Wettbewerbsfähigkeit von Lkw mit alternativen Antrieben zu steigern, brauchen wir zudem eine Verlängerung der Mautbefreiung für diese Fahrzeuge um mindestens zwei Jahre. Der Mangel an einer Lade- und Tankinfrastruktur für Nutzfahrzeuge erschwert den Weg zur Klimaneutralität. Lokale Netzbetreiber können oft erst nach mehreren Jahren die erforderlichen Kapazitäten bereitstellen, was auch an viel zu langen Genehmigungsverfahren liegt. Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, brauchen wir also auch klimafreundliche Kraftstoffe, mit denen wir die CO2-Emissionen von Bestandsflotten um bis zu 90 Prozent senken können. Deshalb sollten bei einer Energiesteuerreform Kraftstoffe biogenen Ursprungs, also HVO100, Bio-LNG und Bio-CNG, sowie strombasierte Kraftstoffe nach ihrer Klimawirkung besteuert werden, dann werden sie im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen wettbewerbsfähig.

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