Ein 700 Meter langer Güterzug ersetzt bis zu 52, ein Binnenschiff sogar bis zu 150 Lkw. Durch die Verlagerung von der Straße auf Schiene und Wasserstraße können bis zu 60 Prozent der transportinduzierten Emissionen reduziert werden. Der Kombinierte Verkehr (KV) ist damit ein zentraler Hebel für die Transformation des Verkehrssektors, vorausgesetzt, auch die Terminals werden konsequent nachhaltig gedacht.
Der ökologische Fußabdruck im Kombinierten Verkehr
95 Prozent aller Emissionen entstehen im Transport der Ladungseinheiten und nur 5 Prozent bei ihrem Umschlag und der Administration rund um den Containertransport. Ähnlich sieht es aus, wenn man die Prozesse am Terminal separat betrachtet: 70 Prozent der Emissionen am Terminal entstehen direkt beim Umschlag und beim innerbetrieblichen Transport der Ladeeinheiten. Der Rest entfällt auf Verwaltung, Anfahrtswege der Mitarbeitenden sowie Reinigung und Reparatur von Containern. Dennoch: Wer die Emissionen einer gesamten Transportkette realistisch bewerten will, muss auch die Emissionen am Terminal einbeziehen.
Der erste Schritt zur Dekarbonisierung kann dort die Prozessoptimierung sein. Indem beispielsweise für jeden Container weniger Hübe benötigt werden, die Lkw-Abfertigung beschleunigt wird oder Wege kürzer werden.
Planung mit Weitblick: Energiebedarf und Infrastruktur
Bei der Terminalplanung sollte die vollständige Elektrifizierung aller Prozessschritte als zentrale Prämisse gelten – von der Erfassung der Ladungseinheiten über Be- und Entladung von Lkw, Bahn und Schiff bis hin zum innerbetrieblichen Transport und zur Verwaltung. Seit einigen Jahren ist Ladeinfrastruktur, also die Depot-Ladepunkte für E-Lkw, ein weiterer wichtiger Bestandteil im Ökosystem Terminal. Dabei gilt es, vorausschauend zu denken: Wenn künftig eine wachsende Zahl elektrischer Lkw geladen werden soll, steigt auch der Energiebedarf erheblich. Hinzu kommen die Verbräuche der Umschlagsgeräte, Reachstacker, Werkstatt, Büroinfrastruktur und gegebenenfalls Reefer-Container. In einer Extrembetrachtung greifen dann alle Verbraucher gleichzeitig auf die verfügbaren Energiequellen zu.
Intelligentes Energiemanagement als Herzstück
Um Lastspitzen zu vermeiden und den Energieeinsatz effizient zu steuern, ist ein intelligentes Energiemanagementsystem unverzichtbar. Batteriespeicher übernehmen dabei zunehmend eine Schlüsselrolle: Sie puffern Überschüsse, gleichen Verbrauchsspitzen aus und sichern die Energieversorgung für den operativen Betrieb.
Künftig werden belastbare Erfahrungswerte dazu vorliegen, in welchem Verhältnis Batteriespeichergröße, Stromverbrauch und Spitzenlasten stehen sollten. Das ist ein wichtiger Schritt hin zu standardisierten, energieeffizienten Terminalkonzepten.
Eigenproduktion und Kooperation: Nachhaltige Energieversorgung
Ein weiterer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit ist die Integration eigener regenerativer Energiequellen. Dazu gehört die Rückgewinnung von Energie an den Krananlagen (Rekuperation). Bei drei Krananlagen kann zum Beispiel so viel Strom zurückgewonnen werden, dass 149 E-Lkw einmal vollgeladen werden können oder etwa ein E-Lkw das ganze Jahr über geladen werden kann.
Auch Photovoltaikanlagen bieten sich an, um den erforderlichen externen Strombezug zu senken. Allerdings sind an vielen Containerterminals kaum geeignete Dachflächen vorhanden. Dort kann gemeinschaftliche Stromerzeugung innerhalb von Industrie- oder Logistikgebieten eine sinnvolle Alternative sein. Häufig verfügen benachbarte Logistikzentren über Photovoltaiküberschüsse, die sich ideal zur Versorgung von Terminals oder Lkw-Ladeparks nutzen lassen.
So entstehen dezentrale Energiegemeinschaften, in denen Erzeuger und Verbraucher direkt miteinander verbunden sind. Ein Modell mit erheblichem Potenzial für die gesamte Logistikbranche.
Regionale Energiesysteme als Zukunftsmodell
Wird dieses Konzept weitergedacht, könnten Logistikzentren künftig auch größere Batteriespeicher betreiben, um Mobilität und zusätzliche Services zu unterstützen. Wenn politische Rahmenbedingungen – etwa durch Investitionsförderungen oder CO₂-basierte Anreizsysteme – den Aufbau solcher regionalen Erzeuger- und Verbrauchsnetze unterstützen, könnte die Transformation von über 50 KV-Terminals in Deutschland zu emissionsneutralen Umschlagspunkten und Zentren der Elektromobilität gelingen.
Elektrifizierung als Schlüsseltechnologie
So entsteht an den Terminals die Basis zur weiteren Dekarbonisierung der Transportkette. Denn die aus Rekuperation und Photovoltaik gewonnene Energie lässt sich sinnvoll zum Laden batterieelektrischer Fahrzeuge nutzen. Da besonders viele Emissionen auf der sogenannten „letzten Meile“ entstehen, die zumeist per Lkw bedient wird, kann eine konsequente Elektrifizierung der eigenen Lkw-Flotte die CO₂-Bilanz erheblich verbessern. Depot-Ladepunkte für E-Lkw direkt am Terminal bilden die Grundlage, um ein ganzheitlich emissionsfreies Terminalökosystem zu schaffen.
Fazit: Die Technik ist vorhanden – jetzt braucht es den Rahmen
Die technischen Lösungen für intelligente, emissionsfreie KV-Terminals existieren bereits heute. Was fehlt, sind verlässliche Rahmenbedingungen, um Investitionen zu fördern und die Energieinfrastruktur langfristig planbar zu machen. Mit klaren politischen Leitplanken und einer abgestimmten Energie- und Logistikstrategie kann der Kombinierte Verkehr zu einem zentralen Treiber der klimaneutralen Güterlogistik werden und die KV-Terminals von morgen zu echten Leuchttürmen nachhaltiger und innovativer Infrastruktur.
Über Contargo
Mit einem Jahrestransportvolumen von 1,9 Mio. TEU und 1.500 Mitarbeitenden ist Contargo eines der großen Container-Logistik-Netzwerke in Europa. Contargo integriert den Containerverkehr zwischen den Westhäfen, den deutschen Nordseehäfen und dem europäischen Hinterland mit 24 Containerterminals in Deutschland, Frankreich und der Schweiz sowie weiteren Standorten in Deutschland, den Niederlanden, Belgien und Polen. Zum Portfolio gehören eigene Schiffs- und Bahnlinien. Contargo ist einer der Vorreiter der E-Mobilität im Schwerverkehr. Das Unternehmen setzt bereits seit 2019 E-Lkw ein. Bis Ende des Jahres soll die Flotte auf 90 Fahrzeuge und die Ladeinfrastruktur auf 90 Ladepunkten anwachsen.
Über Jürgen Albersmann
Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften begann Jürgen Albersmann seine berufliche Laufbahn in einem Logistikunternehmen, wechselte als Key Account Manager zu einem Bahnunternehmen und absolvierte parallel ein Executive MBA Studium. Anschließend arbeitete er in der zentralen Strategieabteilung und der internationalen Geschäftsentwicklung. Von 2009 bis 2013 war Albersmann in leitender Funktion bei einem Hafenbetreiber tätig. Als Geschäftsführer der Contargo Neuss GmbH kam Albersmann in die Contargo-Gruppe, deren CEO er seit 2023 ist. Als Ausdauersportler liebt Jürgen Albersmann den Wechsel vom Schwimmbecken auf das Rad und anschließend auf die Laufstrecke. Leider blieb zuletzt immer weniger Zeit für das Training, aber das Zusammenspiel der Modalitäten ist ihm auch hier sehr wichtig.