Die Branche steht vor zahlreichen strukturellen Herausforderungen: Modernisierung und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, Digitalisierung, Reduzierung von Zugangsbarrieren, Wirtschaftlichkeit und Angleichung nationaler Standards. Gleichzeitig gilt es in Anbetracht der veränderten geopolitische Lage zu verhindern, dass Europa bei Rohstoffen oder kritischen Gütern, insbesondere fossilen Brennstoffen, abhängig und damit erpressbar wird.
Auch wenn Klimaschutz politisch an Bedeutung verliert, bleibt das Ziel klar: Die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 bis 2 Grad erfordert drastische Emissionsminderungen. Der Verkehrssektor ist hier – angesichts wachsender Gütermengen – besonders gefordert.
Der Kombinierte Verkehr wird dabei zum zentralen Hebel. Heute sind über 70 Prozent der Güter in Deutschland auf der Straße unterwegs. Doch angesichts des Fahrermangels, der maroden Infrastruktur, steigender Kosten, Staus und überfüllter Rastplätze ist diese Dominanz kaum zukunftsfähig. Wir haben alle Mittel zur Lösung in der Hand!
Alle Stärken nutzen
Die Schiene punktet auf längeren Strecken mit geringem Personalbedarf, hoher Energieeffizienz und Sicherheit. Dank elektrischer Traktion, moderner Technik und Ökostromnutzung lassen sich beim Bahntransport gegenüber dem Diesel-Lkw bis zu 95 Prozent CO2e-Emissionen einsparen. Selbst temperatursensible Güter lassen sich inzwischen zuverlässig auf der Schiene transportieren.
Dennoch ist der Schienenverkehr selbst unter Druck: hohe Trassenpreise, Engpässe im Netz und baubedingte Einschränkungen wie die Generalsanierung in Deutschland, im Gotthard-Basistunnel nach einem Unfall oder auf der Hauptverbindung zwischen Frankreich und Italien durch den Erdrutsch im Maurienne-Tal belasten die Zuverlässigkeit des Schienengüterverkehrs.
Das Binnenschiff ist zwar auf schiffbare Wasserstraßen angewiesen, eignet sich – dort wo sie vorhanden sind – jedoch hervorragend für den Transport großer Gütermengen. Jedes Schiff kann hunderte Lkw-Fahrten ersetzen. Gerade beim Transport maritimer Container in die Seehäfen Antwerpen und Rotterdam ist das Binnenschiff eine entscheidende Stütze des kombinierten Verkehrs. Im deutschen Netz könnten die bestehenden Bahnkorridore längst nicht alle Mengen bewältigen.
Kooperation statt Konkurrenz
Genau hier setzt der Kombinierte Verkehr an: Er verbindet die Stärken der einzelnen Verkehrsträger und kann Routen abdecken, die derzeit überwiegend mit Lkw gefahren werden. Gleichzeitig macht er den Fahrerberuf attraktiver, da Einsätze vermehrt regional und familienfreundlicher im Tageseinsatz planbar sind. Hinzu kommen regulatorische Vorteile für Lkw im Vor- und Nachlauf.
Darüber hinaus trägt der KV zum Klimaschutz bei: Durch ihn werden 63 Prozent weniger CO2e emittiert, als wenn die gesamte Strecke mit Diesel-Lkw zurückgelegt wird. Bei Einsatz eines E-Lkw erreicht die CO2e-Reduktion sogar 93 Prozent.
Bereits ab einer täglichen Fahrleistung von etwa 150 Kilometern ist der E-Lkw dem Diesel auch wirtschaftlich überlegen. Er punktet mit niedrigeren Betriebskosten und deutlich geringerem Wartungsaufwand. Mit einem smarten Energiemanagement sowie Photovoltaik zur Gewinnung zusätzlicher regenerativer Energie, Rekuperation und Stromspeicher lassen sich die Stromkosten weiter reduzieren. Auch die aktuelle Mautbefreiung für emissionsfreie Lkw bietet finanzielle Vorteile, auf Antrag der EU-Kommission möglicherweise sogar bis 2031.
Politischer Beistand
Damit der Kombinierte Verkehr sein Potenzial voll zur Geltung bringen kann, braucht er Rückhalt durch die Politik. Das gilt für nationale Förderprogramme, die Verteilung des Sondervermögens für Infrastruktur ebenso wie für die europäische Gesetzgebung. Darüber hinaus sollte die Politik schon lange geplante Maßnahmen wie zum Beispiel die Abladeoptimierung am Mittelrhein, mit Hochdruck vorantreiben.
Der EU-Binnenmarkt braucht eine krisenfeste und nachhaltige Logistik. Der Kombinierte Verkehr kann genau das leisten, er verbindet Klimaschutz mit Versorgungssicherheit und hilft, die Abhängigkeit von fossilen Importen zu senken. Wirtschaft, Politik und Infrastrukturbetreiber müssen gemeinsam handeln – und zwar genau jetzt.
Über Contargo
Mit einem Jahrestransportvolumen von 1,9 Mio. TEU und 1.500 Mitarbeitenden ist Contargo eines der großen Container-Logistik-Netzwerke in Europa. Contargo integriert den Containerverkehr zwischen den Westhäfen, den deutschen Nordseehäfen und dem europäischen Hinterland mit 24 Containerterminals in Deutschland, Frankreich und der Schweiz sowie weiteren Standorten in Deutschland, den Niederlanden, Belgien und Polen. Zum Portfolio gehören eigene Schiffs- und Bahnlinien. Contargo ist einer der Vorreiter der E-Mobilität im Schwerverkehr. Das Unternehmen setzt bereits seit 2019 E-Lkw ein. Bis Ende des Jahres soll die Flotte auf 90 Fahrzeuge und die Ladeinfrastruktur auf 90 Ladepunkten anwachsen.
Über Jürgen Albersmann
Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften begann Jürgen Albersmann seine berufliche Laufbahn in einem Logistikunternehmen, wechselte als Key Account Manager zu einem Bahnunternehmen und absolvierte parallel ein Executive MBA Studium. Anschließend arbeitete er in der zentralen Strategieabteilung und der internationalen Geschäftsentwicklung. Von 2009 bis 2013 war Albersmann in leitender Funktion bei einem Hafenbetreiber tätig. Als Geschäftsführer der Contargo Neuss GmbH kam Albersmann in die Contargo-Gruppe, deren CEO er seit 2023 ist. Als Ausdauersportler liebt Jürgen Albersmann den Wechsel vom Schwimmbecken auf das Rad und anschließend auf die Laufstrecke. Leider blieb zuletzt immer weniger Zeit für das Training, aber das Zusammenspiel der Modalitäten ist ihm auch hier sehr wichtig.