Der Bericht mit dem Titel “Sustainability Still Matters” zeigt: 85 Prozent der befragten Unternehmen wollen ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten in der Lieferkette beibehalten oder sogar ausbauen. Damit sendet die Studie ein klares Signal – Klimaschutz und nachhaltige Transformation bleiben strategische Prioritäten, auch wenn viele Firmen mit operativen Herausforderungen kämpfen.
Globale Umfrage mit klarer Botschaft
Für die Analyse befragte das MIT weltweit 1.203 Fachleute aus 97 Ländern. Die Ergebnisse zeichnen ein differenziertes Bild: Während Nachhaltigkeit fest in den Unternehmenszielen verankert ist, hinkt die Umsetzung im Detail oft hinterher – vor allem, wenn es um die Messung und Bewertung von Emissionen entlang der Lieferkette geht.
„Was wir festgestellt haben, ist ein starker Beleg dafür, dass Nachhaltigkeit weiterhin zählt“, sagt Josué Velázquez Martínez, Forschungswissenschaftler und Leiter des MIT Sustainable Supply Chain Lab. Doch er mahnt auch: Ambitionen allein reichen nicht aus – ohne belastbare Datenbasis bleibt Nachhaltigkeit eine Blackbox.
Der blinde Fleck: Scope-3-Emissionen
Besonders deutlich wird das bei der Bilanzierung der Treibhausgasemissionen. Rund 40 Prozent der Unternehmen erfassen ihre Scope-1- und Scope-2-Emissionen – also die direkten Emissionen aus dem eigenen Betrieb und jene aus eingekaufter Energie. Doch bei den Scope-3-Emissionen, die entlang der gesamten Lieferkette entstehen, sieht es deutlich schlechter aus.
Hier mangelt es laut Studie an Transparenz, Daten und messbaren Standards. Rund 70 Prozent der Befragten gaben an, dass sie nicht genügend Informationen von ihren Zulieferern erhalten, um den CO₂-Fußabdruck der gesamten Wertschöpfungskette exakt zu berechnen.
Velázquez Martínez bringt es auf den Punkt:
„Wenn du schlecht misst, triffst du schlechte Entscheidungen – und die führen selten zu den Emissionsreduktionen, die du erwartest.“
Noch immer greifen viele Unternehmen zu einfachen Tabellenkalkulationen, um Emissionen zu schätzen. In Nordamerika nutzen über 50 Prozent der Firmen solche Excel-Lösungen, in Europa immerhin noch rund ein Drittel. Das zeigt, wie groß der Nachholbedarf bei professionellen Datensystemen und Emissionstracking-Tools ist.
Transport bleibt Schlüsselfaktor der Dekarbonisierung
Ein zentraler Bereich, in dem sich Nachhaltigkeit besonders konkret zeigt, ist der Transportsektor – und hier vor allem der Straßengüterverkehr. Der MIT-Bericht betont, dass Unternehmen zunehmend auf Bio-Kraftstoffe, Elektrofahrzeuge und – mit Blick in die Zukunft – Wasserstofftechnologien setzen. Diese Ansätze gewinnen vor allem dort an Bedeutung, wo regulatorische Vorgaben, CO₂-Bepreisung und gesellschaftlicher Druck bereits spürbar sind.
Allerdings: Der Weg zu einer emissionsarmen Transportlogistik ist steinig. Die Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur und Energieversorgungskapazitäten bleibt ein zentrales Hindernis. Besonders für Logistikunternehmen, die großflächige Flotten betreiben oder internationale Routen abdecken, ist das ein entscheidender Engpass.
Zudem betont der MIT-Bericht, dass Technologie allein keine Lösung ist. Ebenso wichtig sei es, die vorhandenen Systeme effizienter zu nutzen – etwa durch Routenoptimierung, Auslastungssteigerung, Vermeidung von Leerfahrten und energieeffiziente Logistikzentren. Diese Maßnahmen senken nicht nur Emissionen, sondern auch Betriebskosten – und schaffen damit eine doppelte Nachhaltigkeit.
Nachhaltigkeit als ganzheitliche Unternehmensstrategie
Die Studie legt offen, dass Nachhaltigkeit in vielen Unternehmen zwar strategisch verankert ist, aber oft nicht systematisch in die Entscheidungsprozesse integriert wird. Für die Logistikbranche bedeutet das: Nur wer Klimaziele, Datenmanagement und operative Umsetzung miteinander verzahnt, kann langfristig erfolgreich sein.
Konkret sollten Logistikdienstleister jetzt drei Schritte priorisieren:
Messen und verstehen: Ohne präzise Datengrundlage lassen sich Fortschritte nicht bewerten. Investitionen in digitale Mess- und Berichtssysteme sind daher unerlässlich.
Partner einbinden: Nachhaltigkeit ist eine Netzwerkanstrengung. Unternehmen müssen ihre Lieferanten verpflichten, valide Emissionsdaten zu liefern, und transparente Standards etablieren.
Effizienzpotenziale heben: Bevor man auf neue Technologien setzt, sollte man bestehende Prozesse optimieren. Eine intelligente Routenplanung, flexible Ladekonzepte und energieeffiziente Gebäude bringen oft kurzfristig messbare Erfolge.
Fazit: Vom guten Willen zur belastbaren Umsetzung
Der MIT-Bericht zeigt deutlich, dass Nachhaltigkeit in den Lieferketten angekommen ist – aber ihre Wirksamkeit noch nicht. Unternehmen erkennen die Bedeutung des Themas, investieren in Projekte und Programme, doch bei der konkreten Messung, Skalierung und Integration bestehen weiterhin Lücken.
Für die Logistikbranche ergibt sich daraus eine klare Botschaft: Nachhaltigkeit darf kein PR-Versprechen bleiben, sondern muss zur operativen Realität werden. Wer sich heute strategisch mit Datentransparenz, Infrastrukturpartnerschaften und Effizienzstrategien beschäftigt, wird in Zukunft nicht nur regulatorisch vorbereitet sein, sondern auch wirtschaftlich profitieren.
Denn eines steht fest: Nachhaltigkeit ist kein Trend – sie ist die neue Grundlage erfolgreicher Lieferketten.
Den "The 2025 State of Supply Chain Sustainability Report " können sie hier lesen.
Über MIT - Massachusetts Institute of Technology
Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) ist eine renommierte Technische Hochschule und Universität in Cambridge, Massachusetts. Gründet 1861, gilt das MIT als eine der führenden Universitäten weltweit in technologischer Forschung und Lehre. Es bietet eine Vielzahl von Programmen in verschiedenen Disziplinen und beherbergt über 10.000 Studenten, darunter viele ausländische Studierende.