ESG: Klaus Maak (Mitte), Leiter der Geschäftsstelle Hamburg des Maritimen Cluster Norddeutschland (MCN), führte ins Thema ein. Im Hintergrund (stehend) ist Hanno Geißler, Partner bei der Rechtsanwaltskanzlei Ehlermann Rindfleisch Gadow in Hamburg als erster Vortragender zu sehen.

Bild: Ehlermann, Rindfleisch, Gadow

ESG – alles easy?

12.08.2025

Vier Fachvorträge, vier Perspektiven: Herausforderungen und Chancen der ESG-Implementierung in der maritimen Wirtschaft.

Vier Fachvorträge, die sich mit unterschiedlichen Facetten der ESG-Implementierung in der maritimen Industrie befassten, bildeten den Kern der Veranstaltung ‚„ESG – alles easy?". Eingeladen hatte die Fachgruppe für Maritimes Recht des Maritimen Cluster Norddeutschland (MCN) in die Räumlichkeiten der auf maritimes Wirtschaftsrecht spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei Ehlermann Rindfleisch Gadow in Hamburg. Mit Blick auf die Hamburger Binnenalster interessierten sich die Teilnehmenden für ein Thema, das bei vielen Unternehmen noch in den Kinderschuhen steckt: die vollständige Umsetzung von Environmental, Social und Governance (ESG) Prinzipien.

Hanno Geißler, Rechtsanwalt und Partner bei Ehlermann Rindfleisch Gadow, widmete sich den regulatorischen Rahmenbedingungen und gesetzlichen Anforderungen an Unternehmen, ESG-Kriterien in ihre Geschäftsstrategie zu integrieren. Dabei wurde insbesondere auf die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) eingegangen. "Mit der überfälligen Umsetzung der CSRD in nationales Recht werden sich die Berichtspflichten ausweiten", kündigte Geißler an. Die Berichte würden nicht nur inhaltlich umfangreicher, sie seien zukünftig auch in einem einheitlichen Berichtsformat zu erstellen und würden extern geprüft, führte Geißler weiter aus. "Außerdem werden weitere Unternehmen ESG-Berichte erstellen müssen."

Ein weiteres Thema war das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das Unternehmen schon jetzt zur Überprüfung der sozialen und ökologischen Standards ihrer Lieferketten verpflichtet. Laut Geißler wird erwartet, dass das LkSG bei der bevorstehenden Umsetzung der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CS3D) angepasst wird. Unklar sei noch, ob und inwieweit die CS3D im Rahmen der OMNIBUS Initiative und der Bemühungen der EU-Kommission, die Belastung von Unternehmen durch Bürokratie zu verringern, nochmals überarbeitet wird.

Wesentlichkeitsanalyse und ESG-Schulung

Helge Bartels, Chief Operating Officer von Bernhard Schulte, einer großen Hamburger Reederei, die zur Schulte Group gehört, übertrug die regulatorischen Ansätze in die Praxis und präsentierte u.a. die nachhaltigkeitsrelevanten Themen und Ziele der Schulte Group: "Ziel der Schulte Group sind unter anderem dekarbonisierte maritime Aktivitäten ohne Schaden für Ökosysteme sowie die Schaffung von sicheren, produktiven und inspirierenden Arbeits- und Lebensräumen." Im Zuge dieses Vorhabens stellte Helge Bartels den Fahrplan zur Umsetzung der CSRD- und CS3D-Vorgaben vor. Der Grundstein für die Umsetzung liegt auf der Durchführung einer umfassenden doppelten Wesentlichkeitsanalyse und ESG-Schulungen aller Mitarbeitenden, um ein umfassendes Verständnis für die Thematik zu schaffen. Ab 2025 werden ESG-Key Performance Indicators (KPIs) im Unternehmen eingeführt, um ESG-Ziele transparent zu gestalten. Außerdem werden ESG-Daten automatisiert, Scope-1, 2 und 3-Emissionen (also neben den selbst ausgestoßenen Emissionen auch vor- und nachgelagerte Emissionen) berechnet und eine Klimastrategie wird entwickelt, die die Dekarbonisierung und die Förderung einer nachhaltigen maritimen Industrie unterstützt.

Neue Herausforderungen der ESRS-Berichtsstandards

Diana Sanabria, Juristin, und Dorina Schwartz, bei Hapag-Lloyd AG zuständig für die seeseitige Umsetzung von ESG-Regeln, berichteten von den Erfahrungen von Hapag-Lloyd mit ESG-Regeln. Der breite Geltungsbereich der CSRD und des LkSG und das Fehlen einer spezifischen Lösung für die Branche bringen auch für Hapag-Lloyd neue Herausforderungen mit sich. Im Vortrag wurde aufgezeigt, wie sich das Unternehmen auf die neuen Berichtsstandards der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) vorbereitet. Sie teilten eigene Erfahrungen: "Man darf angemessen gewichten und priorisieren. Der Aufwand hängt von Ihren Entscheidungen ab." Dabei spiele Digitalisierung eine entscheidende Rolle, da moderne Datenverarbeitungssysteme eine effiziente ESG-Berichterstattung ermöglichen. Tools können helfen, seien aber kein Allheilmittel. Nur durch eine bedarfsgesteuerte Erhebung von Informationen könne der Aufwand im Unternehmen und bei Lieferanten und Kunden begrenzt werden: "Wir erstellen kategoriespezifische Fragebögen, um branchenspezifische Risiken zu erfassen und eine sinnvolle Datensammlung zu erhalten. Wir sprechen viel mit den Lieferanten, Kommunikation ist das A und O", so Diana Sanabria.

Engagement des Managements

Benjamin Witt, Principal Environmental Compliance Engineer bei der Beratungsgesellschaft der international operierenden Klassifikationsgesellschaft DNV, betonte in seinem Vortrag: „Ein Transformationsplan ist erforderlich und entscheidend, wobei technische Kompetenz von zentraler Bedeutung ist. Es muss eine klare Strategie sowie eine Ausgangsbasis definiert werden, um den Fortschritt auf dem Weg zu den nachhaltigen Zielen messbar zu machen. Darüber hinaus müssen KPIs entwickelt werden, die mit diesen Zielen in Einklang stehen und sicherstellen, dass alle Maßnahmen aufeinander abgestimmt sind." Ein weiteres wesentliches Element sei das Engagement des Managements, welches für den Erfolg der Transformation von entscheidender Bedeutung sei. Zukünftig seien alle Emissionen, also Scope 1, 2 und 3 Treibhausgasemissionen, in den ESG-Berichten zu berücksichtigen. Benjamin Witt erklärte außerdem, dass maritime Expertise, insbesondere im Hinblick auf die Flotte und die entsprechenden Vorschriften, notwendig sei: "Bestehende Fachkenntnisse sollten bei der Umsetzung genutzt werden, um die besten Ergebnisse zu erzielen."

Im Anschluss an die Vorträge diskutierten die Teilnehmenden angeregt die Herausforderungen und Chancen der ESG-Implementierung in der maritimen Wirtschaft. ESG wurde als nicht nur regulatorische Verpflichtung, sondern auch als Chance zur Prozessoptimierung und zur Steigerung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit betrachtet. Besonders betont wurde die Bedeutung der frühzeitigen Integration von ESG-Strategien. Die vom MCN initiierte Veranstaltung „ESG – alles easy?“ zeigte, dass ESG-Compliance komplex, aber machbar ist, und bot aus Sicht der Teilnehmenden wertvolle Einblicke in gesetzliche Anforderungen sowie erste Erfahrungen aus der Praxis.

Verwandte Artikel