Gascade nimmt 400 Kilometer Wasserstoff-Kernnetz in Betrieb

Bild: (c)Gascade

Deutschlands Wasserstoff-Backbone nimmt Gestalt an

16.12.2025

Die Flamme über Lubmin hat ihre Farbe gewechselt: Statt Erdgas strömt seit kurzem Wasserstoff durch eine der wichtigsten Fernleitungen im Osten Deutschlands. Was auf den ersten Blick wie ein symbolischer Akt der Energiewende wirkt, markiert in der Sache einen strukturellen Einschnitt.

Mit der Inbetriebnahme einer rund 400 Kilometer langen Nord-Süd-Achse schafft der Fernleitungsnetzbetreiber Gascade die erste großskalige Wasserstoff-Transportroute quer durch Ostdeutschland. Sie ist ein zentraler Baustein des deutschen Wasserstoff-Kernnetzes und eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Wasserstoff perspektivisch nicht nur in der Industrie, sondern auch im Verkehrs- und Logistiksektor eine Rolle spielen kann.

Von bestehender Gasleitung zum Wasserstoff-Backbone

Die neue Wasserstofftrasse nutzt weitgehend bestehende Erdgasinfrastruktur. Sie folgt Leitungen vom Greifswalder Bodden über Brandenburg bis nach Sachsen-Anhalt. Umgestellt wurden Abschnitte der OPAL- und JAGAL-Pipelines: rund 112 Kilometer von Lubmin in die Uckermark, etwa 170 Kilometer weiter bis Radeland sowie weitere rund 110 Kilometer bis in die Region Bitterfeld-Wolfen. Die Leitung weist einen Durchmesser von bis zu 1,4 Metern auf. Im Rahmen des Programms „Flow – making hydrogen happen“ wurde die Leitung technisch auf den Transport von Wasserstoff umgestellt und als H₂-Transportleitung in Betrieb genommen.
Die umgestellten Leitungen wurden ursprünglich für den Transport von Erdgas aus der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 errichtet. Nach dem Wegfall russischer Gasimporte waren sie über mehrere Jahre hinweg nicht mehr bestimmungsgemäß genutzt. Mit der Umstellung auf Wasserstoff erhalten diese bestehenden Trassen eine neue energiewirtschaftliche Funktion.

Einordnung in das nationale Wasserstoff-Kernnetz

Die 400 Kilometer lange Nord-Süd-Achse ist Teil des nationalen Wasserstoff-Kernnetzes, das die Bundesnetzagentur im Herbst 2024 genehmigt hat. Dieses Kernnetz soll schrittweise Produktionsstandorte, Importpunkte und industrielle Verbrauchszentren miteinander verbinden.
Ein zentrales Merkmal des Kernnetzes ist die Nutzung bestehender Erdgasleitungen, die technisch für den Wasserstofftransport ertüchtigt werden. Dadurch lassen sich Planungs- und Genehmigungszeiten gegenüber Neubauten verkürzen. Die von Gascade betriebene Leitung zählt zu den ersten Abschnitten dieses genehmigten Kernnetzes, die in Betrieb gegangen sind.

Bedeutung für Industrie und Logistik

Die Anbindung an das Wasserstoff-Fernleitungsnetz richtet sich zunächst an industrielle Abnehmer, insbesondere an energieintensive Standorte wie Chemieparks, Raffinerien und Stahlwerke. Für diese Unternehmen ist der Zugang zu Transportinfrastruktur eine Voraussetzung, um Wasserstoff als Energieträger oder Rohstoff einsetzen zu können.
Für die Logistikbranche ergibt sich die Bedeutung mittelbar. Fernleitungsnetze schaffen die infrastrukturelle Grundlage für regionale Wasserstoff-Verteilnetze und -Anwendungen. Dazu zählen unter anderem Wasserstofftankstellen für den Schwerlastverkehr sowie Anwendungen in der Hafen- und Werkslogistik. Ob und in welchem Umfang Wasserstoff in der Logistik eingesetzt wird, hängt von der weiteren Entwicklung von Verteilinfrastruktur, Fahrzeugverfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit ab.
Politisch ist das Wasserstoff-Kernnetz Bestandteil der nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung. Der Ausbau erfolgt unter regulatorischer Aufsicht der Bundesnetzagentur. Der Start der Nord-Süd-Achse zeigt, dass Teile des genehmigten Kernnetzes bereits umgesetzt werden. Damit ist eine zentrale infrastrukturelle Voraussetzung für die Nutzung von Wasserstoff in Industrie und Verkehr geschaffen, auch wenn Umfang und Geschwindigkeit des Markthochlaufs weiterhin offen sind.

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